Mittwoch, 2. Juli 2014

Wenn KOLIBRIS vor Wirtschaftsthemen schwirren - saugen sie nicht immer den Nektar der Erkenntnis heraus



Den vorliegenden Blott hatte ich ursprünglich (am 28.06.2014) in meinem "BlockiBlockerBlog" veröffentlicht. Das ist ein Blog rund um die Partei "Alternative für Deutschland".
Allerdings stand zwar der Anlass für die Abfassung des Textes im Zusammenhang mit der AfD. Aber der Inhalt ist zum allergrößten Teil allgemeiner Natur.
Zum einen geht es um Wirtschaft (spezifisch um den Zusammenhang zwischen Geldwirtschaft und Realwirtschaft).
Und zum anderen um Informationsverarbeitung und Informationsverbreitung im Internet. Da werden nämlich manchmal die eigenen Vorurteile verbreitet anstatt der objektive Inhalt von Informationen.


Eine Nachricht flog durch die Welt:
Da machten sich auch auf Dagmar Metzger, Steffen Schäfer und Christian Bayer von den "Kolibris", um in ihrer Artikelserie "Freitagsgedanken" unter der Überschrift "Geldsystem: Den Sozialismus in seinem Lauf..." Kommentar dazu zu geben (28.06.2014 bei MMNews; aber bereits am Freitag, 27.06.14, als Rundmail verschickt).
 
Die Kolibris sind in diesem Falle "liberale und konservative Mitglieder der Alternative für Deutschland (AfD)" [in Wahrheit wohl eher liberal als konservativ] und haben auch eine eigene Webseite.
Sie sind nicht zu verwechseln mit den
 
"Liberalen in der AfD" um Marcus Pretzell u. a. 
Diese Gruppierung scheint sich allerdings organisatorisch nicht verfestigt zu haben; eine Webseite oder Facebook-Seite von denen ist mir nicht bekannt (vgl. aber diesen Bericht des Tagesspiegel vom 03.04.2014 und jenen in der Junge Freiheit vom 03.04.2014).
(Es gibt eine geschlossene Facebook-Gruppe "Liberale in der AfD"; die hat aber einen bloßen Diskussionscharakter und ist keine Plattform mit dem Ziel, eine innerparteiliche Organisation für die Vertretung einer bestimmten politischen Richtung zu schaffen.)  Die scheinen politisch eher konservativ zu sein (Pretzell neigt auf europäischer Ebene wohl der britischen UKIP um Nigel Farage zu). Zumindest von außen hat man nicht den Eindruck, dass diese Liberalen mit den "Kolibris" besonders gut können.
Putziger Weise neigt allerdings diese Gruppierung in ökonomischer Hinsicht allem Anschein nach noch stärker zum libertären Gedankengut. In einem (ausgerechnet) am 01.04.2014 auf "eigentümlich frei" veröffentlichten Positionspapier heißt es unter der Überschrift "Dokumentation: Währungswettbewerb und Steuerfreiheit":
"Das System des staatlichen Geldmonopols und der daraus entstehenden Möglichkeit der Zentralbanken unbegrenzt Geld zu drucken. Die Folge – Fiat Money. Ungedecktes Papiergeld, ausschließlich durch Aufnahme von Schulden erschaffen, überschwemmt den Markt und Inflation ist vorprogrammiert. Das bedeutet Enteignung durch Entwertung der Sparguthaben und andauernde Reduzierung der Kaufkraft. Das Geldmonopol muss dem Staat genommen werden und der Währungswettbewerb gefordert werden."

[Das ist insofern ziemlich uninformiert, als der Staat gar kein GELDmonopol hat, sondern lediglich ein Monopol auf die Schaffung von ZENTRALBANKgeld. Das macht aber nur einen Bruchteil der gesamten Geldmenge aus; der allergrößte Teil besteht aus BANKENgeld, das von den Geschäftsbanken, also privat, geschöpft wird. Und zwar nicht durch "die Aufnahme von Schulden" (jedenfalls nicht, wie man hier annehmen müsste, seitens der Banken), sondern durch die Vergabe von Krediten durch die Geschäftsbanken. Und gerade durch die Geldschöpfung im Kreditwege ist dieses Fiatgeld im Prinzip gedeckt (auch wenn man sich aktuell fragen muss, ob diese Deckung nicht gegenwärtig ausgehebelt wird).]
 

Kehren wir aber zurück zu der hier gegenständlichen Kritik an den Notenbanken aus den Reihen der Kolibris.
 
Auch dort ist die Gesamttendenz liberal-libertär-"österreichisch". Und die Litanei aus dieser Ecke ist immer dieselbe: Staatseingriffe ruinieren die Wirtschaft, Eingriffe der bösen Notenbanken die Geldwirtschaft:
"Gezielt verzögerten und schwächten die Notenbanken jene natürliche Marktreaktion ab und hielten so das Spiel der Fehlallokationen von Kapital und der Fehlanreize für Anleger am Laufen. Die Folge sind immer größere Blasen und immer stärkere Staatseingriffe."
 
So der Text der Einleitung; was darin mit "jene" Marktreaktionen gemeint ist, erfährt der Leser allerdings erst im Text: die "Korrektur der künstlichen Boomphasen".
Rein von der Sachlogik her würde ich (aus der Perspektive der Autoren selber betrachtet) zunächst einmal meinen, dass sie sich nicht erst gegen eine Korrekturverhinderung, sondern bereits gegen eine künstliche Erzeugung von Boomphasen aussprechen müssten.
Und ebenso natürlich gegen die künstliche Verhinderung der Korrektur, also des Auslaufens, natürlicher Boomphasen.
 
Hauptsächlich geht es mir allerdings um den Inhalt des Textes:
 
"Es sind die Zentralbanken, die sich zu einer essentiellen Bedrohung der Wirtschaft entwickelt haben. Kern des Problems ist dabei die Anmaßung der Institute, sie wüssten die richtige Höhe des Zinses. Diese Hybris ließ weltweit eine Blase nach der anderen entstehen beziehungsweise verhinderte die Korrektur der künstlichen Boomphasen. Gezielt verzögerten und schwächten die Notenbanken jene natürliche Marktreaktion ab und hielten so das Spiel der Fehlallokationen von Kapital und der Fehlanreize für Anleger am Laufen. Die Folge sind immer größere Blasen und immer stärkere Staatseingriffe."
 
Hinter solchen Sätzen darf man die uralte Lehre der österreichischen Schule der Wirtschaftswissenschaft (die heute als "Austrians" besonders in den USA virulent sind, wenn auch mehr in der Blogosphäre als an den Universitäten und den Forschungsinstituten) vermuten, wonach Finanz- und Wirtschaftskrisen sich schon selber korrigieren, wenn man sie nur lässt.
Das war allerdings zur Zeit der Weltwirtschaftskrise (engl.: Great Depression) auch das Mantra der damaligen Mainstream-Wirtschaftswissenschaft, nicht nur der "Austrians".

Mittlerweile ist, unter dem Einfluss der "General Theory of Employment, Interest and Money" (dt.: Die allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes) von John Maynard Keynes, der allergrößte Teil der Wirtschaftswissenschaft anscheinend von diesem Dogma abgerückt.
 
Ich will mich aber nicht auf irgendwelche Autoritäten berufen, sondern prüfen, ob die im Text aufgestellten Behauptungen zutreffen.
 
"Kern des Problems ist dabei die Anmaßung der Institute, sie wüssten die richtige Höhe des Zinses".
Die Steuerung der Zinshöhe durch die Notenbanken hat sich zumindest über Jahrzehnte durchaus bewährt. Auch bei internationalem Gegenwind konnte etwa in Deutschland die Bundesbank die Inflation im Verhältnis zu anderen Ländern niedriger halten, ohne dass es zu einer großen Krise in Deutschland gekommen wäre.
Ebenso gelang es der amerikanischen Federal Reserve Bank (unter Paul Volcker), die Inflation zu beenden, die aus einer Steigerung der Energiepreise, insbesondere aber wohl der defizitären Staatsfinanzierung im Vietnamkrieg, resultierte.
Allerdings war (unabhängig von der Richtigkeit) der Versuch der Notenbanken, die Kreditzinsen festzulegen, nicht immer erfolgreich. Im Vorfeld der US-Immobilienkrise hatte die Fed durchaus versucht, die Zinsen hochzuziehen, war aber (nach Auffassung von Alan Greenspan und Ben Bernanke wegen eines globalen "saving glut", einer globalen Sparwut)damit nicht sehr erfolgreich.
Richtig ist freilich auch, dass Alan Greenspan nach dem Auslaufen des Technologie-Hypes an den Börsen (in Deutschland: "Neuer Markt") und nach dem Anschlag auf das World Trade Center in New York die Marktzinsen herunterschleuste, um die amerikanische Wirtschaft anzukurbeln. Tatsächlich hat also die US-Notenbank die Korrektur des (selber wohl nicht "künstlichen") Technologie-Hypes abgebremst, bzw. die Nachfrage auf den Immobilienmarkt umdirigiert.
Und die japanische Notenbank fährt bekanntlich seit langen Jahren schon eine Minizinspolitik.
 
Die Frage ist freilich, ob sie das aus Jux und Dollerei gemacht hat, oder beispielsweise um die Wahlchancen von US-Präsidenten zu fördern.

Ich gehe davon aus, dass sich für die Notenbanken die Lage anders darstellt als für das breite Publikum. Es gibt in den USA, wie aber auch in anderen Gesellschaften, ein Verteilungsungleichgewicht, das sich seit einigen Jahrzehnten zunehmend zu verschärfen scheint.

Wenn sich aber immer mehr von dem umlaufenden Geld bei den Begüterten sammelt, dann fehlt es zunächst einmal als Nachfrage im Geldkreislauf. Nur wenn die Kapitalbesitzer ihre Einkommen weitestgehend wieder ausgeben, egal ob für ihren Konsum oder für Investitionen, wird das ihnen zufließende Geld wieder nachfragewirksam.
 
Freilich fällt es mit zunehmendem Reichtum schwer, das Geld überhaupt noch auszugeben. Oder umgekehrt fällt es leichter, es nicht für Konsumzwecke auszugeben, also zu sparen.
Ein Teil dieser Ersparnisse wird natürlich wieder als Investition in die Realwirtschaft zurückgespeist. Aber weil es dort an Nachfrage fehlt, ist auch das Investieren für die Besitzenden weniger attraktiv.
Ein anderer Teil fließt aber anscheinend nicht zurück in die Wirtschaft.

 
Natürlich bunkern die Besitzenden jene Kohlen, die sie weder für Konsum noch für Investitionen ausgeben, nicht unterm Kopfkissen. Das Geld landet bei Banken oder anderen Institutionen aus dem Bereich der Finanzwirtschaft. Die könnten es als Kredit an andere Wirtschaftssubjekte weiterleiten, die ihrerseits mit diesem Geld einkaufen gehen und so Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen erzeugen.
 
Das Problem dabei ist nur, dass die Schuldner in ihrer Gesamtheit im Lauf der Zeit immer weniger Chancen haben, an das zu kommen, was ich "Eigengeld" nenne: Geld, das sie selber verdient haben (was natürlich eine entsprechende Nachfrage nach ihren Produkten bzw. ihrer Arbeitsleistung voraussetzt) und eben nicht (erneut) als Kredit aufnehmen mussten.
So werden die einen von sich aus ihre Kreditnachfrage einschränken, die anderen an der Bonitätsprüfung durch die potentiellen Kreditgeber scheitern.

Diese ganze Sichtweise nennt sich "Unterkonsumtionstheorie", und war als Erklärung für die frühere Weltwirtschaftskrise (zwar nicht allgemein akzeptiert, aber) durchaus im Gespräch, auch in den wissenschaftlichen Erklärungsversuchen. (Vgl. dazu auch meinen Blott "Yes, we know! Zumindest könnten wir die eigentlichen Gründe für die neue Weltwirtschaftskrise kennen" den ich bereits am 07.11.2008 ins Internet eingestellt hatte. Es wäre aber vielleicht besser, von "Unternachfragetheorie" zu sprechen, weil es im Prinzip egal ist, ob die Nachfrage in den Konsum- oder den Investitionsgüterbereich geht; beides wäre ein direkter Geldrückfluss des Geldes von den Geldbesitzern wieder in die Realwirtschaft.)
 
Eine solche Krisenerklärung wird auch dadurch plausibel, dass die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes in den letzten Jahrzehnten ständig zurückgegangen ist.
Wobei der Begriff "Umlaufgeschwindigkeit" in die Irre führen kann, klingt er doch so, als würden Klein Fritzchen und Klein Erna ihr Taschengeld immer länger aufbewahren, und Kaugummi nur noch jeden 2. Tag statt täglich kaufen.
So ist es aber mit Sicherheit nicht.
Vielmehr kaufen diejenigen, die wenig haben, nach wie vor (weitgehend) so viel wie sie können (und verschulden sich dafür vielleicht sogar noch).
Während am "anderen Ende" der Pipeline dieses Geld teilweise (als Gewinn) bei den Kapitalbesitzern landet. Wenn die es, wie zu vermuten, nicht mehr vollständig in Käufe umsetzen, d. h. weder verkonsumieren noch in die Realwirtschaft investieren, dann hat eine geldbasierte Wirtschaft ein Problem.

 
Und dieses Problem hat nichts mit irgend einem Geldsystem zu tun; das Nutzungsrecht am Eigentum und das Recht, Zinsen auf Geldkredite zu verlangen, oder Mieten für Wohnungen und Gewinne für Unternehmertätigkeit ist davon unabhängig.
Deswegen kann auch kein Geldsystem etwas daran ändern, schon gar nicht Goldgeld. Das würde die Probleme drastisch verschärfen, weil die Goldmenge absolut begrenzt ist, und nicht, wie Papiergeld, ausgeweitet werden kann. Halten Besitzer von Goldgeld dieses zurück, wird der Geldkreislauf in der Realwirtschaft also noch schneller austrocknen.
 
Unabhängig davon, ob meine o. a. Einschätzung zutrifft oder nicht wäre es auf jeden Fall wichtig, Arbeitshypothesen über die möglichen Krisenursachen anzustellen und diese empirisch und anhand von Modellen zu verifizieren - oder zu falsifizieren. Es gab in den letzten Jahrzehnten eine ganze Reihe von Entwicklungen, die erklärungsbedürftig sind und/oder als (Mit)Verursacher der gegenwärtigen Krisenerscheinungen (also der Entwicklungen zunächst, etwa seit dem Sommer 2007, am US-Immobilienmarkt und anschließend auch in Großbritannien und in der Eurozone).
 
Soweit man die Immobilienkrisen in den verschiedensten Ländern (USA, Spanien, Irland, Großbritannien; mittlerweile wohl auch in den Niederlanden) im Blick hat ist festzustellen, dass diese nicht ausschließlich auf die Niedrigzinspolitik der Notenbanken zurückzuführen sind. Oder zumindest, dass sie trotz Niedrigzins durch administrative Regelungen (Beleihungsgrenzen, verschärfte Bonitätsprüfungen) durchaus hätten gestoppt oder gedämpft werden können.
Nur hatte niemand ein Interesse daran die "Party" zu stören.
 
 
Ganz grundsätzlich gefasst gibt es zwei alternative Möglichkeiten, die Finanzkrise und die Eurozonenkrise zu deuten:
  • Als "Betriebsunfall" in einem an sich gesunden Wirtschaftssystem oder
  • Als systembedingt, also als eine Entwicklung, die früher oder später, in der einen oder anderen Weise, kommen musste.
Ich deute sie, wie gesagt, als Ergebnis von Über-Akkumulation auf der einen Seite und entsprechend "Unterkonsum" (genauer: "Unternachfrage" oder, eleganter, "Nachfragelücke".) auf der anderen. Darauf deuten beispielsweise auch die großen internationalen Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzen der Volkswirtschaften hin.
 
Die Zentralbanken und die Politik scheinen eher von einem Betriebsunfall auszugehen. Vielleicht machen Sie sich über diese Frage aber auch gar keine Gedanken und probieren lediglich ihre jeweiligen "Heilmittel" aus in der Hoffnung, dass sie anschlagen mögen.

Wenden wir uns aber wieder dem Text der aktuellen "Freitagsgedanken" von Dagmar Metzger, Steffen Schäfer und Christian Bayer zu. Der fährt im Anschluss an den obigen Auszug, wie folgt fort (Hervorhebungen von mir; ebenso die Ziffern in Klammern, die auf meine anschließende Kommentierung verweisen):


"Das Ergebnis ist eine völlig groteske Situation: Gemäß einer Studie, welche das renommierte Official Monetary and Financial Institutions Forum (OMFIF) jüngst veröffentlichte, halten insgesamt 400 staatliche Institutionen die unglaubliche Summe von 29,1 Billionen US-Dollar an Wertpapieranlagen. Sie halten damit ein Anlagevermögen, das etwa 40 Prozent der Weltjahresproduktion entspricht. Zu den staatlichen Institutionen gehören natürlich auch die Sovereign Wealth Funds von Ländern, die weitaus besser wirtschaften als es gemeinhin die Länder der EU oder auch die USA tun – beispielsweise Singapur oder Norwegen, aber (1) die Zentralbanken sind mit insgesamt 13,2 Billionen US-Dollar mit im „Investmentboot“, immerhin mehr als 45 Prozent der Gesamtsumme. Die (2) Chinesische Zentralbank ist dabei führend, dicht gefolgt von den Japanern. Auf Platz vier aber kommt bereits die Schweizer Notenbank und die US-amerikanische Fed nimmt den fünften Rang ein. (3) Mehr und mehr dieser Wertpapieranlagen sind nicht mehr nur Staatsanleihen oder Gold, sondern Aktien.

Einerseits (4) betreiben die Notenbanken so nichts anderes als massive Kurspflege und halten mit ihren Zukäufen die Aktienindizes der Welt oben. Zur Freude der Investoren, die allerdings die Kursgewinne der vergangenen Jahre auch gut gebrauchen können: Schließlich liegen die Zinsen auf niedrigstem Niveau. 

Absurderweise sind es zeitgleich genau diese niedrigen (5) Mickerzinsen, die wiederum die Zentralbanken dazu treiben, noch mehr Aktien zu akkumulieren. Denn bisher nutzten die Zentralbanken ihre Möglichkeit der Geldschöpfung oft genug zur Währungsmanipulation – beste Beispiele hierfür sind die Schweiz und China. Die eigene Währung wurde durch Gelddrucken abgewertet bzw. an der Aufwertung gehindert, mit der frisch geschaffenen Liquidität wurden Fremdwährungen, zumeist in Form von Staatsanleihen gekauft. Diese Politik entwertete zwar die Sparguthaben der Bürger, bescherte aber den Notenbanken schöne Renditen, die sie in die jeweiligen Staatshaushalte abführten. (6) Nun aber sind die Institute zu Opfern ihrer eigenen jahrelangen Niedrigzinspolitik geworden. Diese lässt nämlich auch die Renditen der Zentralbanken schrumpfen. Also begeben auch sie sich auf die Suche nach Anlagen mit höheren Renditen und drängen so in die Aktienmärkte.

Aus diesen (7) beiden Motiven (Kursstützungen und Renditesuche) entsteht ein Teufelskreislauf: Die (8) Zentralbanken befeuern mit ihrer unendlichen Liquidität die Überhitzung und Blasenbildung an den Aktienmärkten (nicht mehr nur indirekt durch die niedrigen Zinsen, sondern ganz direkt durch ihre eigenen Käufe) und sind, wenn die Blase zu platzen droht, erst recht gezwungen, noch mehr zu intervenieren und aufzukaufen, um den vollständigen Kollaps zu verhindern. Auf diese Weise wandert mehr und mehr echtes (Sach-)Vermögen in staatliche Hände, im Austausch für aus dem Nichts geschaffenes Geld. Die Übernahme von Produktivvermögen durch die öffentliche Hand aber ist ein wesentliches Merkmal des Sozialismus."



Die obigen Behauptungen sind, sowohl was die Fakten als auch die Schlussfolgerungen angeht, im Wesentlichen im Bereich frommer Legenden anzusiedeln.
 
Zunächst einmal gehe ich davon aus, dass den Autoren (genau wie mir) die Studie selber gar nicht vorlag.
 
Was darüber bekannt ist, steht in den o. a. Artikeln, deren Inhalte wiederum größtenteils dieser Mitteilung des "Official Monetary and Financial Institutions Forum (OMFIF)" (Homepage) vom 16.06.2016 entnommen sein dürften. (Die Studie selbst sollte am Folgetag, also am 17.06.2014 in London präsentiert werden und ist kostenpflichtig.) Wenig mehr erfährt man in diesem pdf-Dokument, aber immerhin werden die Autoren - mit Bild - aufgeführt. 
(Unter anderem schreibt dort Tarek Al-Wazir, "Minister for Economics, State of Hesse" (also der - Grüne - hessische Wirtschaftsminister), und zwar zum Thema "Frankfurt’s global and European reach as a centre for trade and investment". In diesem Zusammenhang sollte man vielleicht erwähnen, dass die Studie "in partnership with the financial centres of London, Frankfurt, Toronto, Hong Kong, Kuala Lumpur, Johannesburg, São Paulo, Qatar and Mauritius" entstanden ist, also zweifellos von denen finanziert wurde. Da muss man natürlich auch - ohne dass ich das negativ bewerten will - die örtlichen Politiker zu Worte kommen lassen.)
 
Der FT lag die Studie bereits vorab vor ("The report, seen by the Financial Times" heißt es in dem Artikel vom 15. Juni 2014), aber auch im Bericht selbst scheinen wesentliche Fragen offen zu bleiben:
"Overall, the Omfif report says “global public investors” have increased investments in publicly quoted equities “by at least $1tn in recent years” – without saying from what level, or how the figure is split between central banks and other public sector investors such as sovereign wealth funds and pension funds."
 
Auch die Neue Zürcher Zeitung, deren Artikel vom 23.06. datiert, also nach Veröffentlichung des Berichts, und die diesen zweifellos vorliegen hatte, schluckt nicht einfach alles, was ihr vorgesetzt wird (sondern bestätigt ihre Reputation für kritischen Journalismus) (meine Hervorhebungen):
"Die genaue Höhe des Aktienbesitzes aller Notenbanken gibt das Omfif nicht an. In Relation zum Gesamtwert der globalen Aktienmärkte von 64 Bio. $ ist er jedenfalls noch gering. Aber die Schlaglichter, die das Forum auf einige Notenbanken wirft, deuten ihr zunehmendes Marktgewicht an. So hat die Bank von Japan den Besitz von Aktien und ähnlichen Instrumenten seit 2009 auf 4,6 Bio. Yen mehr als vervierfacht. Das weltgrösste Aktienportefeuille im öffentlichen Sektor scheinen die Notenbank Chinas und die ihr angeschlossene State Administration of Foreign Exchange (Safe) mit einem Wert von vermutlich über 160 Mrd. $ zu besitzen. Erwähnt werden auch die gestiegenen Aktienanlagen der Notenbanken der Schweiz, Italiens und Dänemarks."
Unsere "Kolibris" (wie auch - siehe Überschriften - einige der eingangs genannten Blogger und Medien) halten sich mit derartigen Feinheiten nicht auf; die wissen ganz genau (die Zitate habe ich, ohne Sinnentstellung, sprachlich gekürzt und teilweise auch abgeändert; den ganzen Text kann man ja oben nachlesen):

1) "Zentralbanken ... mit insgesamt 13,2 Billionen US-Dollar mit im „Investmentboot“.
Das ist natürlich Quatsch. Im Blog von Markus Gärtner (der auch zu denjenigen gehört, welche die Studie sensationalistisch aufblasen), legt von allen Leser-Kommentatoren ausgerechnet derjenige den Finger in die Wunde, der selber des Englischen nur bedingt mächtig ist. "Skyjumper" schrieb dort am 18.06.2014 (meine Hervorhebungen):
"
Leider ist mein Englisch zu bescheiden um die Pressemitteilung in ihren Feinheiten zu würdigen. Und ganz sicher möchte ich es in keiner Weise verteidigen dass die Zentralbanken sich nun auch noch direkt (indirekt tun sie es ja schon lange) in die Anlagemärkte einmischen.
Was aber die Höhe der Summe, die “Überraschung” darüber, den “Schocker” anbelangt ………. also da sollte man doch die Kirche im Dorf lassen. Konzentrieren wir uns auf die Zentralbanken, so sprechen wir über 13,2 Bill. US-$, oder rund 9.800 Mill. €. Fürwahr eine Menge Schotter. Aber aus der Pressemitteilung geht nicht hinreichend hervor um was für Käufe es sich eigentlich handelt. “equities” würde ich normalerweise mit “Aktien” übersetzen. Das Wort wird aber auch ganz allgemein für “Dividendenpapiere” genutzt. Ganz sicher ist hingegen, dass die Summe ausdrücklich die Anlageform “Gold” beinhaltet. Und da wir sicherlich über die offiziellen Bestände sprechen ist es doch ganz klar, dass die ZB´s alleine über die Anlageform “Gold” auf grosse Beträge kommen.
Es ist nun auch beileibe kein Geheimnis, dass insbesondere die ZB´s der Schwellenländer in den letzten beiden Jahren wieder massiv auf der Käuferseite gewesen sind. Das konnte jeder anhand der Zahlen des World Gold Council nachverfolgen. Auch dass die Chinesische ZB zu Diversifizierungszwecken keine weiteren Staatsanleihen der USA mehr kaufte, sondern stattdessen neben anderen Währungen auch Aktien in größerem Stil gekauft hat ist nun weder neu, noch passierte es heimlich.
Sollte sich jetzt noch herausstellen, dass die 13,2 Bill. $ nicht nur Aktien und Gold, sondern auch Anleihepapiere beinhalten (ich habe die Studie selbst leider nicht finden können und in der Pressemitteilung bleibt das für mich unklar), dann wäre es endgültig kein Schocker mehr, sondern nur der ganz normale Wahnsinn.
"


SO analysiert ein kritischer Leser derartige Informationen, und dann bleibt vom angeblich gigantischen "Investment-Boot" der Zentralbanken so gut wie NICHTS mehr übrig. Aber dann hätten die Informationen natürlich nicht mehr ins Zentralbank-Bashing der Kolibristen gepasst.
Man mag ja der Geldpolitik der großen Zentralbanken gerne kritisch gegenüberstehen. Nur muss man dann eben DAS begründen - und nicht seine Leser mit propagandistischem Desinformationsmüll aus Pressemeldungen (die Studie selber lag den Autoren sicherlich nicht vor) füttern.

2) "Chinesische Zentralbank  führend, dicht gefolgt von den Japanern. Auf Platz vier die Schweizer Notenbank, US-amerikanische Fed nimmt fünften Rang ein"
Vielleicht habe ich es übersehen oder den Autoren lag eine mir unbekannte Quelle vor. Eine Angabe über die Fed habe ich nirgends gefunden. Unabhängig davon sagt diese Passage nichts darüber aus, ob und in welcher Höhe die Fed ggf. andere Papiere als Gold und (Staats)anleihen hält. Das wissen die Autoren selber nicht:

3) "Mehr und mehr dieser Wertpapieranlagen sind nicht mehr nur Staatsanleihen oder Gold, sondern Aktien"
In Verbindung mit dem vorangegangenen Satz wird  hier der Eindruck erweckt, als ob auch die Fed Aktien ankaufen würde. Darüber ist freilich nichts bekannt; das ist auch schon deshalb extrem unwahrscheinlich. weil die Fed gar kein Geld dafür hat.
Auf welche Weise nämlich die Zentralbanken zu jenem Geld kommen, dass sie dann ggf. in Aktien (oder auch in neuen Goldkäufen) anlegen, wird für Otto Normalverbraucher aus der Darstellung der Kolibris nicht ersichtlich. Der muss glauben, dass die Notenbanken sich einfach Geld drucken, und dann auf Einkaufstour gehen.
Ganz so ist es allerdings nicht. Zumindest liegt eine "fremde" Station dazwischen.
Der Geldzuwachs bei der chinesischen Notenbank beispielsweise dürfte großenteils auf das Gelddrucken der Fed zurückzuführen sein. Das funktioniert so:
  • Fed kauft mit "frisch gedrucktem" Geld Anleihen der US-Regierung (leiht also der amerikanischen Regierung Geld).
  • US-Regierung kauft damit im eigenen Lande ein, oder bezahlt Bedienstete
  • Die Empfänger dieser Dollars shoppen damit in China, d. h. sie geben den Chinesen (wie übrigens auch uns deutschen) grünes Papier für gute Waren.
  • Anders als die Deutschen sind allerdings die Chinesen nicht blöd. Die wissen sehr wohl, dass grünes Papier weitgehend wertlos ist, und ständig wertloser wird. Kaufen also ihrerseits Unternehmensanteile auf; nicht notwendig in den USA, sondern u. a. auch in Europa. (Hier werden ja ebenfalls Dollars akzeptiert - wir brauchen den Schrott ja schließlich für unsere Ölkäufe usw. -, bzw. die Chinesische Zentralbank tauscht sie vorher in Euro um.)  
Mit dem Wunsch, Aktienkurse zu manipulieren, hat das Verhalten der chinesischen Notenbank rein gar nichts zu tun. Die kaufen sich lediglich solidere Werte, als die Staatsanleihen der US-Regierung, deren "Wert" lediglich in der Fähigkeit der Regierung besteht, die Fed bei bedarf zu neuerlichem Gelddrucken zu überreden: also ein "Ponzi-Spiel".
 
4) "betreiben die Notenbanken massive Kurspflege und halten mit ihren Zukäufen die Aktienindizes der Welt oben"
Um das behaupten zu können, müssten man die Börsenumsätze der Welt dem Volumen der Zentralbankkäufe gegenüberstellen. Man würde dann feststellen, dass diese Käufe im Verhältnis zu den Börsenumsätzen sehr gering sind. Das gilt selbst dann, wenn man nicht die Börsenumsätze zu Grunde legt, sondern die Marktkapitalisierung der an den Börsen gelisteten Unternehmen. Und, wie gesagt: Die Chinesische Zentralbank macht das definitiv nicht, um unsere Aktienkurse schön hoch zu halten. Die tun da, um sich solide Werte ins Portefeuille zu legen. An Stelle von wertlosem grünem Papier.
Aber man kann ja mal eine Behauptung wie oben aufstellen: Die Masse der Leser merkt es ja ohnehin nicht.

Bei den Autoren stellt sich dann freilich die Frage, ob sie es selber nicht besser wissen - oder ob sie ihre Leser dreist belügen.
Ich halte Unwissenheit für wahrscheinlicher: Die  "Austrians" und ihr engeres und weiteres Gefolge sind ideologisch voll auf Gegnerschaft zum Zentralbankensystem getrimmt. Die Kenntnis von tatsächlichen Geldwesen ist dagegen bei denen
eher unterentwickelt. Und das Interesse, sine ira et studio Sachverhalte selber zu erforschen und kritisch zu hinterfragen, dürfte sich nahe der Nulllinie bewegen.

5) "Mickerzinsen treiben die Zentralbanken dazu, noch mehr Aktien zu akkumulieren."
Mag sein, dass das in der Tat der Grund ist, warum die Schweizer Notenbank, aber auch die Italiener (woher haben denn die so viel Geld? Und warum investieren sie es nicht in die italienische Wirtschaft? Oder tun sie das?) und Dänen ihre Überschüsse teilweise (allerdings, im Verhältnis zum Gesamtmarkt, sicherlich in einem sehr bescheidenen Rahmen) in Aktien statt in Staatsanleihen investieren. Bei den Japanern weiß ich es nicht. Den Chinesen dürfte es insbesondere darum gehen, ihre gewaltigen Devisenreserven diversifiziert anzulegen, nicht "alle Eier in einen Korb" zu packen. Ein objektives Interesse daran, in den jeweiligen Märkten die Aktienkurse hochzutreiben, haben sie jedenfalls nicht. Sie müssen ja auch in Zukunft mit weiteren Devisenüberschüssen rechnen; wer würde da jetzt die Kurse hochjubeln, um später entsprechend teurer einkaufen zu müssen? Solche Gedanken können nur in einfach strukturierten Kolibri-Gehirnen entstehen; die Chinesen als uraltes Kulturvolk sind um Längen cleverer!

6) "Zentralbanken Opfer ihrer eigenen Niedrigzinspolitik; deshalb Suche nach Anlagen mit höheren Renditen und Aktienkäufe"
Das mag eine Rolle spielen. Bei den ganz großen Playern ist es aber wohl nicht das vorherrschende Motiv, bzw. diese (EZB, Fed, britische Zentralbank) treten - mutmaßlich - gar nicht als Käufer am Aktienmarkt auf. Und im Verhältnis zur weltweiten Marktkapitalisierung ist der Umfang der Aktienkäufe durch die Notenbanken offensichtlich gering; detaillierte Zahlen enthält die Studie insoweit anscheinend nicht.

7) "Motiven Kursstützungen und Renditesuche"
Wenn es um Kursstützung geht, wird der arglose Leser als Erstes die Fed verdächtigen; vielleicht auch die EZB. Aber die sind gar nicht am Aktienmarkt. Über die Bank von Japan habe ich keine Informationen und kann deren objektive Interessenlage nicht einschätzen; von daher kann ich nicht ausschließen, dass die IN JAPAN tatsächlich - gelegentlich - Kurspflege an den Aktienmärkten betreiben. Für alle anderen Fälle und Aktienmärkte gibt es KEINERLEI ANHALTSPUNKTE, dass die (ohnehin begrenzten) Aktienkäufe von Zentralbanken der Kurspflege dienen sollen (oder einen solchen Effekt haben).

8) "Zentralbanken befeuern Blasenbildung an den Aktienmärkten (nicht mehr nur indirekt durch die niedrigen Zinsen, sondern ganz direkt durch ihre eigenen Käufe)"
Nein; dafür sind die Volumina zu gering. Mutmaßlich haben sich die Autoren durch die alarmistischen, aber nicht faktenkompatiblen Darstellungen insbesondere in Blogs "aufheizen" lassen. (Die Darstellung etwa in der WELT kann es jedenfalls nicht gewesen sein!)


Zusammenfassend zum Text des Kolibri-Teams:
Neue Runde, neues Glück. Aber beim nächsten Mal bitte seriöser!



Nachtrag 29.06.2014
Auch die Wirtschaftswoche berichtete, allerdings erst am 27.06.2014. Der Titel lässt Schreckliches befürchten: "Aktienkäufe: Notenbanken werden zu Heuschrecken". Der Text dagegen wiegelt ab:
"Noch dürfte der Anteil der von Notenbanken gehalten Aktienbestände an der weltweiten Aktienmarktkapitalisierung von derzeit 65.069 Milliarden Dollar gering sein. Exakte Daten werden nicht genannt. Aber das OMFIF kommt zu dem Schluss: „A cluster of central banking investors have become majors players on world equity markets“. So habe etwa die People’s Bank of China schätzungsweise mehr als 160 Milliarden Dollar in Aktien angelegt, die Bank of Japan etwa 45 Milliarden Dollar. In Europa hätten vor allem die Notenbanken Dänemarks, Italiens und der Schweiz ihre Aktienbestände ausgeweitet."
Mit Speck fängt man Mäuse, mit Schlagzeilen Leser.

Der "New American", dessen politische oder ideologische Ausrichtung ich nicht kenne, hatte am 19.06.2014 in einem längeren Artikel dramatisiert: "Central Banks Now Dominate Stock Market, Study Finds". Was natürlich keineswegs zutrifft.




ceterum censeo
 Blockis* bluten brave Bürger!
Deshalb Deutschland in Europa:
Weder Zuchtmeister, noch Zahlmeister!
* Die eurofetischistischen "Blockparteien" CDUCSUFDPGRÜNESPD
Textstand vom 22.09.2014

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