Sonntag, 9. Februar 2014

Mit dem Rüssel auf dem Boden: Der Sparbegriff in der Volkswirtschaftslehre als Hirngeburt intellektueller Ameisenbären


Dass der Investitionsbegriff in der Wirtschaftswissenschaft für eine differenzierte Analyse der volkswirtschaftlichen Prozesse völlig unzureichend und irreführend ist, hatte ich bereits in meinem Blott "Der Investitionsbegriff in der Volkswirtschaftslehre: Theologie oder Rumpelstilzchen-Invokation?" erörtert.

Bei der Lektüre des ( wie ich zunächst dachte: Aufsatzes, tatsächlich aber: ) Kapitels "Under-Consumption and Over-accumulation " aus dem Buch "The Global Debt Crisis" von John Bradford ("Assistant Professor of Sociology at the Mississippi State University") fiel mir (über welche Assoziationsketten auch immer) auf, dass auch der Spar-Begriff der Wirtschaftswissenschaften Müll ist.


Auf der Makro-Ebene wird Sparen wie folgt definiert (Wikipedia-Stichwort "Sparen"):
"Unter der nationalen bzw. gesamtwirtschaftlichen Ersparnis, abgekürzt meist mit , versteht man in der Makroökonomik das Gesamteinkommen einer Volkswirtschaft, dem die Ausgaben für Konsum und Staatsverbrauch abgezogen wurden, kurz ."
Also sehr grob, wenn wir den Staat hier mal beiseite lassen, als "Einkommen minus Konsum". Und damit wäre, Staat außen vor gelassen, "Sparen = Investition".

Wie sieht es aber auf der mikroökonomischen Ebene, also bei den einzelnen Wirtschaftssubjekten, Haushalten oder Firmen aus?
"Sparen" die alles, was sie nicht konsumieren (Firmen konsumieren ohnehin nicht) - oder "sparen" die lediglich das, was sie nicht ausgeben?

Im ersteren Falle können sie auch durch Geldausgeben sparen: Wenn sie nämlich das Geld für Investitionen verwenden (vgl. dazu auch meinen Blott "Eine Geldhortung gibt es nicht").
Im zweiten Falle würden auch die Investitionen nicht als Ersparnis zählen (weil Ausgaben, wofür auch immer). "Gespart" wäre dann nur noch, was tatsächlich auf die Bank wandert.


Aber egal, wie man den Sparbegriff auf der Ebene des einzelnen Wirtschaftssubjekts definieren will: Mit dem Sparbegriff auf der Makro-Ebene ist er nicht zusammenzubringen.
Denn das, was das Individuum gespart (hier i. S. v.: "Auf die hohe Kante gelegt hat", also ohne evtl. direkte Investitionen) hat, muss auf der Makro-Ebene keineswegs in Investitionen gehen.

Vielmehr können (und, wenn man an die diversen Immobilienkrisen in den USA und anderen Ländern denkt: sind) die Ersparnisse der einen  sehr wohl in den Konsum der anderen gehen (gegangen). (In der VWL zählen Wohnimmobilien - wie übrigens auch Ladenhüter! - zu den Investitionen. Da sie aber keine produktiven Investitionen sind, rechne ich sie hier zum Konsum).

Damit erfährt jedoch der Sparbegriff am Übergang (an der Schnittstelle) von der Mikro- zur Makroökonomie einen Bedeutungswandel:
Während makroökonomisch im Prinzip alle Ersparnisse = Investitionen sind, können mikroökonomische Ersparnisse problemlos in Konsum wandern. Und erscheinen dadurch auf der Makroebene überhaupt nicht mehr als Ersparnis.

Inwiefern soll das ein Problem sein?

Nun: Kredite müssen zurückgezahlt werden. Und das wird ganz besonders dann schwierig, wenn die Kredite nicht für (produktive) Investitionen verwendet wurden.
Insofern ist es eminent wichtig zu wissen und zu unterscheiden, welcher Teil der individuellen (Mikro-)Ersparnis (über das Bankensystem) in den Konsum gewandert ist, und welcher Teil in (produktive) Investitionen.

Solche Fragen stellt aber (soweit ich das als Laie beurteilen kann) die Wirtschaftswissenschaft nicht. Die wirtschaftswissenschaftlichen Systemgefangenen wandern wie Ameisenbären brav mit dem Rüssel am Boden auf den Spuren dessen, was Konsens ist, bzw. was andere vorher geschrieben haben.
Radikales Hinterfragen der vermeintlichen Gewissheiten? Totale Fehlanzeige. Hauptsache, man produziert genügend Papiere, und bringt andere dazu, diese zu zitieren.


Die reinste Scholastik. Erschreckend, dass sich diese Staatsknetenabgreifer selbst noch im 21. Jh. als "Wissenschaftler" bezeichnen dürfen.
Ein intellektueller Augiasstall, den auszumisten aber wohl nicht einmal einem Herkules nicht gelingen würde.


Textstand vom 09.02.2014. Gesamtübersicht der Blog-Einträge (Blotts) auf meiner Webseite http://www.beltwild.de/drusenreich_eins.htm.
Für Paperblog-Leser: Die Original-Artikel in meinem Blog werden im Laufe der Zeit teilweise aktualisiert bzw. geändert.

2 Kommentare:

  1. Grundsätzlich müsste einfach unterschieden werden Sparen in Sachgütern und Sparen in monetären Forderungen - da zählt dann freilich jede Art von Wertpapier dazu - also Sparen zum Zweck der Erhöhung des (eigenen) Geldvermögens erhöht den Kreditbedarf der Anderen. In der Betriebswirtschaft wird unter Sparen Sparen in Form von Sachgütern verstanden, woraus die Formel resultiert: S=I . In veralteteten, klassischen Wirtschaftskreislauf wird diese Formel dann wiederum so interpretiert, dass die Höhe angesammelter monetärer Forderungen die Höhe der Kreditvergabe ermöglicht (Loanable Funds Theory), was natürlich Humbug ist. Tatsächlich ist es ja umgekehrt: Ausgabenüberschüsse finanzieren Einnahmeüberschüsse.

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  2. Danke für die Info, CGB, und insbesondere auch für den Link (oben unter Ihrem Namen) zu den "Grundlagen der Saldenmechanik".
    Ich sehe schon, dass ich mich mit dem Gesamtkomplex noch intensiver auseinandersetzen muss; wahrscheinlich bietet der Begriff "Sparparadoxon" dazu einen guten Einstieg.

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