Sonntag, 1. Juli 2012

Lagerinsassen der Euro-Zone: Befreit euch aus dem EZ des Kapitalsozialismus! Verjagt die Berliner Politwärter des Euronen-EntZiehungslagers (und ihre medialen Schläferhunde)!


Wer meine zweifellos heftige Überschrift auf ihre Rationalität analysieren will, müsste das in 2 Dimensionen tun:
  1. Auf der Faktenebene: Ist ein Verbleib Deutschlands in der Eurozone wirklich derart schlimm für uns, dass wir uns mit aller Macht daraus freikämpfen müssten?
  2. Auf der Diskursebene: Ist es sachgerecht, den Kampf gegen die Europäische Haftungsunion, Schuldenunion und Transferunion derartig emotional zu führen, wie meine Titelwahl das tut?
Zur Faktenebene habe ich mich in mittlerweile ca. 125 Postings geäußert.
Mein erster Blott zu diesem Thema datiert vom 20.09.2009 und trägt den Titel:
"Lässt Klingklax sich klaglos beklauen? Keine Euro-Anleihen zur Rettung der Mittelmeer-Länder! Keine deutschen Steuergelder gen Süden senden!".
"Klingklax" war im Italien des 2. Weltkrieges ein onomatopoetischer Spottname für die deutschen Soldaten. Tatsächlich hat sich Deutschland schon in vielfacher Hinsicht für Griechenland & Co. in die Taschen greifen lassen, und zuletzt hat am vergangenen Donnerstag ausgerechnet der italienische Premierminister Mario Monti in Brüssel Bundeskanzlerin Angela Merkel noch einmal kräftig beklaut (vgl. den heutigen WELT-Bericht "Gipfel-Chronik. Nach Mitternacht schlichtete der Prinz der Dunkelheit" sowie eine Reihe früherer Artikel, wobei ebenfalls die in der WELT erschienenen die Kanzlerin am schärfsten kritisieren. In anderen Medien versuchen einige Kommentatoren - z. B. Philip Faigle in der ZEIT und Christian Rickens bei SpiegelOnline; außerdem sehr ausführlich Eric Bonse auf Telepolis - dagegen, die Folgen von Merkels Umfallen zu relativieren und zu verharmlosen, während Euhaftungsfetischist Günter Verheugen am 30.06.12 ebenfalls bei SPON jubelt: "Die schwäbische Hausfrau hat ausgedient"). (Am 03.07.12 erklärte der gleiche Verheugen lt. WELT-Bericht: "Die Kanzlerin ist vorige Woche betrogen worden").

Während ich also schon mehr als ein Jahr vor dem ersten 'Sündenfall', d. h. der Unterstützung für Griechenland im Mai 20210, gegen eine Schuldengemeinschaft agitiert habe, war ich damals noch kein Gegner des Euro.
Erst vor kurzem bin ich zu dem Schluss gekommen, dass die Aufrechterhaltung der Eurozone in ihrer gegenwärtigen, extrem suboptimalen Zusammensetzung nur durch massive Transferleistungen der Nordeuropäer, also insbesondere Deutschlands, möglich ist, und dass diese Transferzahlungen den Charakter einer Dauereinrichtung bekommen werden.

Um meine aktuelle Position zu diesem Thema zusammenzufassen:
  • Ein Zerfall der Eurozone wäre so schrecklich wie das Fegefeuer, darüber mache ich weder mir noch anderen irgendwelche Illusionen.
  • Ein Erhalt der Eurozone dagegen wird sich im Laufe der Zeit als dermaßen kostspielig herausstellen, dass er für uns ein wahrer Höllenritt ist. [Insofern wäre es für die (relativen) 'Solidländer' geradezu ein Segen gewesen, wenn sich Mario Montis Drohung erfüllt hätte, dass eine 'Entmutigung' seiner Landsleute (gemeint: deutsche Unnachgiebigkeit gegenüber einer erleichterten Schuldenvergemeinschaftung)  Kräfte freisetzen könnte, die den Euro "zur Hölle fahren lassen".]

In der Diskursdimension stellt sich die Frage, ob man für eine vernünftige Position (die Richtigkeit meiner o. a. Einschätzung hier einmal unterstellt) mit derart emotional aufgeladenen Sätzen kämpfen darf, soll oder muss, wie sie meine Überschrift darstellt.

Mit dieser Frage hatte ich mich in gewisser Hinsicht bereits in meinem allerersten Blott u. d. T. "THE (B)RAT IN THE BOX AT THE ULTIMATE LEVER?"  (deutsch und interpretierend etwa: "Die Ratte/das Balg in der behavioristischen Experimentierbox am allerletzten Futterhebel?') auseinandergesetzt (25.04.2005; der Titel würde übrigens auch gut auf das Verhalten der Schuldenländer in der aktuellen Krise passen!).
Damals stand die Umweltfrage (speziell Peak Oil bzw. allgemein die Ressourcenverknappung) im Zentrum meines Interesses; deshalb hatte ich mich (in einem englischsprachigen Text) kritisch mit dem Aufsatz "ENVIRONMENTALISM AS RELIGION" des zwischenzeitlich verstorbenen US-Schriftstellers Michael Crichton auseinandergesetzt.

Crichton hatte in seinem Aufsatz gewisse religionsähnliche Züge in der Umweltbewegung kritisiert. Auch ich bin grundsätzlich eher skeptisch, wenn Argumente in Sachfragen mit einem starken emotionalen Nachdruck vorgetragen werden, also ähnlich wie bei religiösen Argumentationsstrategien.
Andererseits sind zwei Dinge nicht zu übersehen, die in der Debatte um eine Europäische Haftungsunion ebenso gelten wie für die Umweltdebatte:
  • Die gegenwärtig entstehenden Kosten (bei einem Zerfall der Eurozone bzw. für Umweltschutzmaßnahmen) sind weitaus sichtbarer als die zukünftig evtl. eintretenden Schäden (notwendige Transferzahlungen).
  • Die zukünftigen Kosten sind nicht nur nicht sichtbar. Trotz aller Argumente, mit denen man deren Entstehen plausibel machen kann, handelt es sich am Ende um eine Art Glaubensfrage.
Dabei ist es wichtig, sich in der Eurettungsdebatte nicht von den Eurettungsfetischisten in die Position drängen zu lassen: 'Unsere Pläne sind vernünftig, ihr seid verantwortungslos'. Insofern ist es schon außerordentlich wichtig, unsere Befürchtung gigantischer Eurettungskosten  mit allen geeigneten rationalen Argumenten (insbesondere auch mit historischen Vergleichen, wie z. B. den Transferzahlungen der Norditaliener für ihren maroden Mezzogiorno)  zu unterfüttern.

Dennoch dürfen wir Eurettungsgegner es nicht unterlassen, uns der Macht der Worte und Gefühle zu bedienen. Eben das tun ja auch die Eurettungsbefürworter, wenn sie den Euro quasi zur Friedenswährung hochstilisieren, oder wenn Angela Merkel und ihre Gefolgschaft immer wieder behaupten: Scheitert der Euro, dann scheitert Europa!
Denn wahr ist: Wenn wir den Euro mit gigantischen Transferzahlungen (und eine andere Möglichkeit zur Eurozonen-Erhaltung gibt es nicht!) erhalten, dann wird in nicht allzu langer Zeit die europäische Idee sterben, und der europäische Einigungsprozess ebenfalls.
Und Deutschland wird dann pleite sein, nachdem es vorher von Finanzinteressen und Südeuropäern nach allen Regeln der Kunst ausgeblutet wurde.


Nachtrag 06.07.2012

Die Finnen haben kein Problem damit, ihre Mitgliedschaft in der Eurozone als interessengeleitetes Handeln zu betrachten - und notfalls auch auszusteigen, wenn die Kosten den Nutzen übersteigen. Unter "Schuldenkrise. Finnland hängt „nicht um jeden Preis“ am Euro" meldete heute die FAZ: "Finnlands Regierung hat gedroht, eher aus dem Euro aussteigen zu wollen, als für die Schulden anderer Eurostaaten zu haften".



Gegen die sich klar abzeichnende Weiterentwicklung der Eurozone zu einer totalen Haftungsunion schleudere ich mit voller Wucht mein

ceterum censeo:
Lagerinsassen der Euro-Zone: Befreit euch aus dem EZ des Kapitalsozialismus! Verjagt die Berliner Politwärter des Euronen-EntZiehungslagers (und ihre medialen Schläferhunde)!
 Textstand vom 10.09.2022

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